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#no2hatespeech – Film & Performance Workshop

In einem viertägigen Workshop entstand eine Street-Performance an einem belebten Platz in München zum Thema „Hate Speech“, die von den 25 Teilnehmerinnen selbst gestaltet und durchgeführt sowie filmisch begleitet wurde. Aus dem Filmmaterial entstanden mehrere Kurzvideos, die von den Teilnehmerinnen selbst erstellt und dann auf Social Media veröffentlicht wurden.

Der Fokus des Projekts lag auf Storytelling, Konzeption und der bewussten Auseinandersetzung mit dem Thema Hate Speech und der Diskrepanz zwischen digitalen und realen Raum. Diskussion, eigene Recherchearbeit, eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Social Media Plattformen und die künstlerische Ausgestaltung der Street-Performance waren dabei zentraler Bestandteil des Projekts. Als Basis für die Performance und Filmerstellung gaben die Projektleiter eine Einführung in Performance-Kunst, Filmproduktion und Tipps zur technischen Umsetzung und Videobearbeitung mit Smartphone / Tablet Apps (u.a. CapCut)

Workshop Vorbereitung 

Der Workshop fand in Kooperation mit der Klasse 8b der städtischen Anne-Frank-Realschule für Mädchen in München-Pasing statt. Im Vorfeld holten wir die Einverständniserklärung der Eltern ein. Alle Eltern stimmten der Workshop-Teilnahme und geplanten Film- und Fotoaufnahmen mit anschließender Veröffentlichung zu. Außerdem klärten wir gemeinsam mit der Klassenleiterin ab, wie viele Teilnehmerinnen ein Smartphone oder Tablet besitzen, denn sowohl das filmische Begleiten der Performance als auch die Postproduktion sollte von den Schülerinnen auf ihren eigenen Geräten durchgeführt werden, damit sie direkt erfahren, was mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln möglich ist. Dass der Klasse bereits von Seiten der Schule Tablets für den Unterricht zur Verfügung standen und alle Schülerinnern eigene Smartphones besaßen, war ein guter Ausgangspunkt für den Workshop.

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Projektablauf

Der viertägige Workshop fand vom 17. bis 20.10., jeweils vormittags statt. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde und einer Sammlung welche Social Media Kanäle die Schülerinnen am liebsten nutzen und warum, nutzten wir den ersten Tag um das Projekt vorzustellen und ausführlich über das Thema Hate Speech zu sprechen. Dabei stellten wir verschiedene Fragen zum Thema, diskutierten die Antworten und sammelten die Ergebnisse zunächst an der Tafel, bevor wir nochmals eine Übersicht über unsere Präsentation auf dem Beamer zeigten.

So erarbeiteten wir gemeinsam ein Verständnis für Hate Speech. Wesentliche Teile waren hier: Was ist Hate Speech? Wo findet Hate Speech statt? Wie viele Menschen in Deutschland sind betroffen? Gegen wen richtet sich Hate Speech und was sind typische Elemente an denen man Hate Speech erkennen kann? Nachdem wir einige Beispiele für Hate Speech Kommentare gezeigt und die Meinung der Schülerinnen eingeholt hatten, war es die Aufgabe der Teilnehmerinnen auf den Plattformen, die sie im Alltag nutzen, nach Kommentaren zu suchen und diese anschließend der Klasse vorzustellen. Dadurch festigte sich das Verständnis dafür, was Hate Speech ist und welche Formen und Ausmaße sie annehmen kann.

Anschließend besprachen wir Gründe, warum Hate Speech entsteht, was Folgen für Betroffene sein können und wie man damit umgehen kann, wenn man selbst von Hate Speech betroffen ist. Das Interesse der Klasse am Thema war groß, es wurden viele Fragen gestellt und rege über die einzelnen Beispiele diskutiert. Nahezu alle Schülerinnen hatten Hate Speech bereits vor dem Workshop im Netz wahrgenommen. Zum Abschluss des Themas stellen wir die Frage, warum Hate Speech vor allem im Internet stattfindet und leiteten anschließend zum Thema Performance mit der Frage über, wie Mitmenschen auf Hate Speech reagieren würden, wenn sie im realen Raum damit konfrontiert werden würden.

Nach einem kurzen historischen Rückblick zur Entstehung von Performance-Kunst und der Erklärung, welche Merkmale eine Performance kennzeichnen, stellten wir einige Performances vor. Hierbei konzentrierten wir uns vor allem auf Street-Performances mit Bezug zu Umwelt- und gesellschaftlichen Themen. Wichtig war uns aufzuzeigen, dass für eine Performance verschiedenste Kunstdisziplinen genutzt und gemischt werden können.

Anschließend teilten wir die Klasse in Gruppen auf, in denen die Schülerinnen dann, inspiriert von den vorher gezeigten Beispielen, Ideen für eine eigene Performance sammeln und sollten um diese anschließend der Klasse vorzustellen. Die vorgestellten Ideen sammelten wir, um am nächsten Tag daran weiterzuarbeiten.

Der zweite Tag diente der Konzeption und Vorbereitung der Performance. Mithilfe einiger Leitfragen arbeiteten die Gruppen ihre Idee noch etwas aus. Anschließend erarbeiteten wir gemeinsam mit der ganzen Klasse eine Konzept-Idee, die möglichst alle bis dahin geäußerten Ideen vereinte. So entstand ein Grundgerüst für die Ausarbeitung des Performance-Konzepts, das sich wie folgt beschreiben lässt:

Es gibt drei Gruppen: Betroffene, Personen mit Hate Speech Kommentaren, Personen mit positiven Kommentaren. Die Betroffenen stehen in der Mitte, mit einem Luftballon in der Hand und sind zunächst fröhlich und gut gelaunt, der Luftballoon ist in der Luft über ihren Köpfen. Nach einiger Zeit kommen nach und nach Personen mit Hate Speech Kommentaren, welche groß und gut lesbar auf Schilder geschrieben sind und über den Köpfen gehalten werden. Diese Personen formen einen Kreis um die Gruppe in der Mitte. Die Personen in der Mitte werden dadurch zu Betroffenen von Hate Speech und ihre Laune wird zunehmend trauriger, die Luftballons sinken nach unten und der Blick ist traurig auf den Boden gerichtet. Der Kreis der Hate Speech Personen festigt sich und umringt die Betroffenen vollständig. Es kommen nun andere Personen und formen langsam einen weiteren Kreis um die Hate Speech Kommentare. Die neuen Personen halten Schilder mit positiven, liebevollen Kommentaren nach oben, über ihre Köpfe. Sie versuchen nun durch die Kette der Hate Speech Kommentare zu den Betroffenen durchzudringen, indem sie die Hate Speech Personen umkreisen und bedrängen. Nach einiger Zeit sind die Hate Speech Kommentare in der Minderzahl und werden so immer weiter verdängt. Die Schilder mit Hate Speech Kommentaren sinken immer weiter nach unten und ihre Trägerinnen verlassen schließlich den Kreis mit dem Schild in der Hand. Die positiven Kommentare siegen und werden immer mehr von den Betroffenen wahrgenommen. Diese heben wieder ihre Köpfe, stellen sich aufrecht hin, lächeln und ihr Luftballon steigt wieder nach oben über ihren Kopf. Nachdem, diese Grundidee stand, teilten wir erneut in Gruppen auf, die verschiedene To Dos bekamen wie Musik-Recherche, Überlegen wie die Outfits, Kostüme, Schminke etc. aussehen sollen, Recherche von Hate Speech Kommentaren und positiven Kommentaren, mit anschließendem Schilderbasteln.

Die Schülerinnen gaben sich in allen Punkten große Mühe, es wurde detailliert überlegt, wie die Outfits der drei Gruppen aussehen sollen, eine Playlist für die Musik wurde angelegt und die Schilder mit großer gestalterischer Sorgfalt gebastelt. Nachdem die Schilder fertiggestellt und das Konzept mit genaueren Angaben zu Kleidung, Musik etc. fertiggestellt wurde, verteilten wir die Rollen für die Performance und führten eine erste Probe durch. Zwei Schülerinnen wurden zu Leiterinnen für die Durchführung benannt und hatten nun die Aufgabe, alles bereitzumachen für die erste Probe. Da die Zeit etwas drängte und die Aufregung groß war, war es für sie nicht leicht sich durchzusetzen und für Ruhe und Konzentration zu sorgen. Die erste Probe verlief demnach etwas chaotisch, brachte aber viele Erkenntnisse, die gemeinsam besprochen wurden. Auch nach einer zweiten Probe blieb für die Beteiligten das Gefühl zurück, dass sie noch nicht bereit für eine Durchführung am nächsten Tag sind, weshalb sie unbedingt noch einmal vorher üben wollten.

Die Idee des Workshops war, das Thema Hate Speech durch eine Performance vom digitalen in den realen Raum zu bringen und anschließend, durch das filmische Begleiten, die Bearbeitung und Veröffentlichung des Filmmaterials, wieder in den digitalen Raum. Für die filmische Umsetzung gaben wir deshalb am dritten Tag eine Einführung in die Filmproduktion, erklärten Kameraperspektiven, Einstellungsgrößen und gaben praktische Tipps für die Umsetzung. Nach einer weiteren Probe, bei der nun auch die Kamerafrauen teilnahmen und das Besprochene versuchten umzusetzen, ging es los zu einem belebten Platz vor den Pasing Arcaden, direkt bei den Ausgängen des S-Bahnhof Pasing. Als wir dort ankamen war die Aufregung bei den Schülerinnen groß, da dort bereits viele Menschen unterwegs waren und sie realisierten, dass ihre Performance wirklich von anderen gesehen werden wird. Die beiden Performance-Leiterinnen gaben sich Mühe alle Beteiligten auf ihre Positionen zu bringen, die Kamerafrauen bauten die Stative auf und testeten ihre Einstellung, die Musikbox wurde aufgebaut und getestet. Kurz vor Beginn wollten einige Schülerinnen doch nicht an der Performance teilnehmen. Durch bestärkendes Zureden ihrer Mitschülerinnen fassten aber schließlich doch alle Mut und alle Schülerinnen beteiligten sich an der Durchführung.

Bei der ersten Durchführung blieben bereits einige Passanten stehen und beobachteten die Performance interessiert, wenngleich diese aufgrund der Aufregung deutlich schneller vorüberging als geplant. Die etwas zu schnelle Durchführung führte dazu, dass einige der Beteiligten die Performance wiederholen wollten. Das Zureden der Lehrerinnen und Workshopleiter bestärkte schließlich alle, die Performance ein weiteres Mal zu zeigen. Dieses Mal lief alles deutlich langsamer und konzentrierter ab und erneut blieben Passanten stehen und verfolgten die Performance interessiert. Einige stellten den Schülerinnen und uns Workshopleiter anschließend Fragen, so entstand ein Gespräch zum Thema.

Nach Beendigung der Performance war es den Schülerinnen ein Anliegen, mit ihren Mitmenschen ins Gespräch zu kommen, um ihre Meinung zum Thema Hate Speech zu erfahren. Deshalb teilten wir in Kleingruppen auf, die anschließend selbstständig loszogen und mit dem Smartphone Interview-Umfragen durchführten. Die Fragen dafür hatten sie bereits am Vortag während der Konzeptionsphase vorbereitet.

Nach Rückkehr zum Klassenzimmer fand eine kurze Feedback-Runde statt. Die Performance war für manche zunächst peinlich, doch dann eher lustig, cool und nicht so schlimm wie befürchtet, außerdem wurde sie als stärkend für die Klassengemeinschaft empfunden. Aus den Interview-Umfrage Teams berichteten einige Schülerinnen von erfreulichen und bestätigenden, aber auch von einigen traurigen Antworten, da einige der befragten Personen entweder selbst bereits von Hate Speech betroffen waren oder von Betroffenen im Bekanntenkreis erzählten. Die Erfahrung der Performance und die Antworten der Umfragen führten dazu, dass die Schülerinnen feststellten, dass es viele Personen gibt, die von Hate Speech betroffen sind und dass es wichtig ist sich aktiv gegen Hate Speech einzusetzen.

Am vierten Workshop-Tag stellten wir die App Capcut vor und erklärten die wichtigsten Funktionen über den Beamer. Das Videomaterial, das während der Performance und den Interview-Umfragen gedreht wurde, hatten wir bereits gesammelt und in einen gemeinsamen Cloud-Ordner hochgeladen. So konnten die Schülerinnen das Material herunterladen und sich selbst am Schnitt versuchen. Dies geschah in Gruppen von zwei bis drei Personen. Der Umgang mit dem Schnittprogramm fiel den Beteiligten leicht, da sie die App bereits vorher kannten und schon etwas Erfahrung damit gesammelt hatten.

Die Ergebnisse fielen vielfältig aus und Effekte sowie Musik wurden kreativ genutzt. Bei der Vorstellung der einzelnen Videos hatten alle Beteiligten viel Spaß und es gab nach jedem Video Applaus für die Erstellerinnen sowie konstruktives Feedback. Die Stimmung und der Umgang unter den Schülerinnen war durchweg positiv, respektvoll und ohne Konkurrenzdenken.

Als letzten Punkt des Workshops sprachen wir darüber, was es zu beachten gibt, wenn man eigene Videos veröffentlichen möchte. Nach einer Abstimmung entschied sich die Klasse gemeinsam dafür, dass zwei der insgesamt neun Videos über den YouTube-Kanal der Projektleiter veröffentlicht werden sollen, damit sie diese anschließend teilen können. Eines der beiden Videos erreichte in den YouTube Shorts bereits einen Tag nach der Veröffentlichung über 9000 Aufrufe.

Fazit

In der abschließenden Feedback-Runde äußerten sich die Schülerinnen sehr positiv zum Workshop. Es gab viel Neues, die Anspannung und der Druck, der am Vorbereitungstag entstand, war für manche währenddessen etwas anstrengend, wurde aber rückblickend als interessante Erfahrung betrachtet. Da die meisten Hate Speech bereits aus ihrem Alltag im Netz kannten oder sogar schon einmal damit konfrontiert waren, fanden sie es sehr gut sich so ausführlich mit dem Thema zu beschäftigen und nicht nur Lösungsmöglichkeiten für Betroffene kennenzulernen, sondern auch selbst die Möglichkeit zu haben gegen Hate Speech aktiv zu werden.

Projektergebnisse                  

Der Workshop wurde durchgeführt von Nina und Martin von SINN MEDIA.

In Kooperation mit der städtischen Anne-Frank-Realschule für Mädchen.