Kinderfilmredaktion on Tour – Kinder schreiben Kino-Kritiken für Kinder

Die Kinderfilmredaktion ist ein Angebot für Kinder zwischen 8 und 12 Jahren. Sie trifft sich alle vierzehn Tage im Medienzentrum München und bespricht aktuelle Kinderfilme, die im Kino oder Fernsehen laufen, aus der Sicht von Kindern für Kinder. Um Kinder auch im Stadtteil zu erreichen, wurde die Kinderfilmredaktion ausgeweitet und als „On-Tour-Konzept“ ausgebaut. Im Mittelpunkt des „On-Tour-Konzepts“ stand die Zielsetzung, Kinder zu erreichen, die in eine zentrale Kinderfilmredaktion nicht kommen. Dies sind vor allem Kinder mit Migrationshintergrund sowie bildungsbenachteiligte Kinder. Um diese Kinder zu erreichen, wurden Einrichtungen wie Horte, Freizeitstätten und Grundschulklassen in die Arbeit miteinbezogen und Konzepte für diese Zielgruppen entwickelt. Insgesamt acht Einrichtungen wurden besucht. Die Kinder wurden als Kinderfilmredakteurinnen und -redakteure ausgebildet und sollen perspektivisch auch von außen an der Kinderfilmredaktion mitarbeiten.

Kinotipps von Kindern für Kinder, die über das Münchner Kinderportal www.pomki.de jederzeit abrufbar sind — das ist die Grundidee der vom Medienzentrum München ins Leben gerufenen Kinderfilmredaktion „Münchner Kinokinder“. Sie empfiehlt Kinderfilme aus der Sicht von Kindern, die in Münchner Kinos aktuell angelaufen oder in Videotheken erhältlich sind. Eingerichtet wurde die Kinderfilmredaktion im Frühjahr 2004. Seitdem trifft sie sich vierzehntägig im Medienzentrum, um gemeinsam Filme zu sichten, zu beurteilen und Besprechungen für das Internet zu erstellen. Im Zentrum des Projektes steht das Stichwort „Kinderfilme aus Kindersicht“. Nicht der Geschmack der Erwachsenen ist für die Kinoempfehlung ausschlaggebend, sondern der der Kinder. Die Kriterien für die Beurteilung von Filmen erarbeiten sich die Kinder eigenständig. Dabei werden sie von Medienpädagoginnen und -pädagogen unterstützt und zu KinderfilmexpertInnen ausgebildet (s. Anfang/Baamann/Demmler, in: Schwarzer/Dreyer 2005, S. 26 ff) Als Kinderfilmredaktion besuchen sie aktuelle bzw. neu gestartete Kinderfilme im Kino oder sichten im Medienzentrum München Filme aus der Kinderfilmvideothek des Medienzentrums. Die gesichteten Filme werden anschließend bewertet und im Internet unter www.jff.de/kinderfilm bzw. auf www.pomki.de im Bereich Tipps & Infos vorgestellt.

Die Kinderfilmredaktion im Stadtteil

Um Kinder auch im Stadtteil zu erreichen, wurde die Kinderfilmredaktion ausgeweitet und als „On-Tour-Konzept“ ausgebaut. Im Mittelpunkt stand die Zielsetzung, Kinder zu erreichen, die in eine zentrale Kinderfilmredaktion, wie sie im Medienzentrum besteht, nicht kommen. Dies sind vor allem Kinder mit Migrationshintergrund sowie bildungsbenachteiligte Kinder. Um diese Kinder anzusprechen, wurden Einrichtungen wie Horte, Freizeitstätten und Grundschulklassen in die Arbeit mit einbezogen. Dies stellte sowohl Anforderung an die Logistik des Projekts, als auch an die konzeptionelle Ausrichtung. So wurde ein Laptop-Netzwerk für die Gruppenarbeit vor Ort zur Verfügung gestellt sowie ein transportables DVD-Kino eingerichtet. Inhaltlich wurde das Projekt so aufbereitet, dass je nach Einrichtung variable Module zur Durchführung zur Verfügung standen. So konnte in der Grundschulklasse das Projekt mit bis zu 30 SchülerInnen im Rahmen des Schulunterrichts durchgeführt werden, im Hort oder in der Freitzeitstätte aber auch als Nachmittagsangebot mit 5 bis 15 Kindern. Grundsätzlich enthielt jede Einheit einen Schulungsteil, der die Kinder zu FilmexpertInnen ausbildete und einen Praxisteil, der für die eigentliche Arbeit in der Online-Redaktion zur Verfügung stand. Wir haben das Konzept „Münchner Kinokinder On Tour“ in acht Einrichtungen erprobt.

Schulung der Kinderfilmredaktion

Um die Sehgewohnheiten und Vorlieben der Kinder kennen zu lernen, werden in einem Stuhlkreis zum Einstieg Prints aus verschiedenen Kinderfilmen ausgelegt (Kinderfilmklassiker, aktuelle Produktionen, Realfilme, Animationsfilme usw.). Die Kinder dürfen sich Bilder auswählen und ihre Wahl begründen. Was finden sie an dem Film gut, was nicht? Die Aussagen werden in Stichpunkten auf drei Plakaten notiert. Dabei werden die Ergebnisse bereits nach den Oberpunkten Handlung, Figuren/Personen, und Gestaltungsmittel/Technik gegliedert. Diese Überschriften werden am Ende dieser Runde gemeinsam mit den Kindern herausgearbeitet.

Anschließend werden den Kindern die wichtigsten Grundlagen zur Filmsprache und -bewertung vermittelt.

Handlungsaufbau und Spannung im Film

Zunächst geht es darum, den Kindern zu erläutern, wie Spannung im Film entsteht. Dies wird an Hand einer kleinen Geschichte verdeutlicht, die aufzeigt, welche Elemente eine Handlung haben muss, damit sie spannend ist. So braucht jede Geschichte einen einführenden Teil, der die handelnden Personen vorstellt, einen Hauptteil, in dem eine dramatische Geschichte erzählt wird und einen Schluss. Damit die Geschichte spannend wird, muss irgendetwas unvorhergesehenes mit der Hauptperson im Einleitungsteil geschehen. Erst am Schluss und in letzter Minute darf sich eine Geschichte auflösen, damit sie spannend bleibt.

Damit die Kinder den Handlungsaufbau eines Films später auch eigenständig nachvollziehen können, wird ihnen nun ein Beobachtungsbogen [für Umsetzung:link zum pdf] vorgestellt. Mit Hilfe des Beobachtungsbogens können sie später den Handlungsaufbau genauer beschreiben. Der Beobachtungsbogen enthält folgende Aufgabenstellungen:

– Beschreibe kurz, worum es in diesem Film geht
– Beschreibe kurz die einzelnen Teile des Films: Anfang, Hauptteil, Schluss, Wichtige Szenen
– Der Film ist spannend (lustig) weil….

Charakterisierung der handelnden Personen

Im nächsten Schritt geht es um die Analyse der handelnden Personen. Hier erfahren die Kinder, dass es Haupt- und Nebenfiguren im Film gibt und dass sie aufgrund ihrer Charaktereigenschaften dem Publikum sympathisch oder unsympathisch sind. Ihre Eigenschaften wie Alter, Aussehen, Sprache, Kleidung und vieles mehr bestimmen unseren Eindruck ob wir die Person mögen oder nicht.

Auch diesen Aspekt können die Kinder mit Hilfe eines Analysebogens [Red.: link zum pdf] genauer herausarbeiten. Er enthält folgende Aufgaben:

– Beschreibe kurz die wichtigsten Personen, die im Film vorkommen (Hauptpersonen/Nebenpersonen)
– Wie sind sie dargestellt?
– Welche Personen fandest du sympathisch, welche unsympathisch?

Gestaltungsmittel des Films

Im letzten Schulungsteil geht es um die Filmgestaltung. Hier lernen die Kinder, wie mit Kamera, Musik und Licht Filme gestaltet werden. Die wichtigsten Einstellungsgrößen und Kameraperspektiven werden erläutert und veranschaulicht, wie mit Musik der Film spannender gemacht werden kann. Um den Kindern die Filmgestaltung möglichst nahe zu bringen, werden sie immer wieder aktiv eingebunden. So werden sie zum Beispiel beim Thema „Musik“ aufgefordert, ihre Augen zu schließen und verschiedenen Geräuschen und musikalischen Themen einer CD zuzuhören , um ihre Eindrücke und Gefühle zu beschreiben. Die verschiedenen Kameraeinstellungen und -perspektiven werden anhand von Beispielbildern zugeordnet bzw. deren Wirkung im Rollenspiel erfahrbar gemacht. Ein Daumenkino zeigt außerdem auf, das (Animations-)Filme aus einer Aneinanderreihung von Einzelbildern bestehen. Auch diese Einheit wird mit einem Analysefragebogen [Red: link zum pdf] abgeschlossen, der den Kindern zur anschließenden Beurteilung eines Films Kriterien an die Hand geben soll. Der Analysebogen zur Gestaltung des Films enthält folgende Fragestellungen:

– Welche Einstellungsgrößen (Groß/Nah/Totale) werden wie verwendet?
– Welche Kameraperspektiven (Normal/Frosch/Vogel) werden wie verwendet?
– Wie wird Musik, wie werden Geräusche eingesetzt?

Umsetzung des Gelernten

Im Praxisteil geht es nun darum, das Gelernte umzusetzen. Die Kinder werden in drei Gruppen eingeteilt und erhalten je nach Gruppe einen Analysebogen zur Handlung, zu den Figuren/Personen oder zu den Gestaltungsmitteln. Ein Leitfaden, in dem die in der Präsentation dargestellten Inhalte nochmals kurz zusammengefasst sind, dient ihnen dabei als Hilfestellung. Bei der Filmauswahl haben die Kinder die Wahl zwischen den beiden Oscar-prämierten Animationsfilmen „Wallace & Gromit – Unter Schafen“ und „Wallace & Gromit und die Technohose“. Die Filme sind für eine erste Filmbewertung besonders geeignet, da sie zum einen nicht zu lang sind (ca. 30 Min.) und zum anderen für Kinder jeden Alters attraktive Elemente enthalten. Außerdem wurde bei der Auswahl der Filme darauf geachtet, dass die Filme leicht verständlich sind, damit sich die Kinder besser auf die Analyse der Gestaltungsmittel konzentrieren können. Nach der Filmsichtung füllen die Kinder die Arbeitsblätter zu ihrem Themengebiet in Gruppenarbeit aus. Die Ergebnisse werden in der Gruppen diskutiert und gegebenenfalls ergänzt. Dabei wird auch darauf geachtet, ob es bei der Beurteilung Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen gibt. Bei unterschiedlichen Bewertungen oder Sichtweisen werden diese gemeinsam mit den PädagogInnen besprochen und festgehalten, worin die Unterschiede bestehen. Ebenfalls festgehalten wird, ob es kulturelle Unterschiede bei der Bewertung einzelner Szenen gibt. Dabei geht es nicht darum, die Unterschiede zu bewerten, sondern die Kinder für unterschiedliche Sichtweisen sensibel zu machen und die Gründe dafür herauszuarbeiten.

On-Tour-Projekte konkret

Insgesamt acht On-Tour-Projekte wurden durchgeführt. Sechs Projekte fanden in Einrichtungen des Kreisjugendrings München-Stadt, ein Projekt an einer Grundschule und ein Projekt in einem städtischen Hort statt. In allen Einrichtungen wurden die Kinder zunächst als Kinderfilmredakteurinnen und –redakteure ausgebildet. Anschließend sichteten sie einen der Kurzfilme und hielten ihre Bewertungen fest. Exemplarisch sollen hier kurz einige Ergebnisse aus zwei Freizeitstätten (Trudering und Moosach) vorgestellt werden:

„Wallace & Gromit und die Technohose“

In den Arbeitsgruppen, die besonderes Augenmerk auf die Handlung/Geschichte des Films gelegt haben, schrieben David, Oskar und Marius aus dem Kinder- und Jugendtreff Trudering (12, 8 und 7 Jahre) auf die Frage, ob der Film Probleme zeigt, die man aus dem eigenen Leben kennt: „Dass ich benachteiligt werde und mein Bruder nicht.“ Dabei beziehen sie sich auf den Aspekt der Geschichte, der schildert, dass der gutgläubige Wallace seinen Hund Gromit zugunsten des neuen Untermieters vernachlässigt. Auch Edriss und Dragan aus Trudering (11, 9 Jahre) antworteten auf die gleiche Frage: „Dass Leute nur nett zu mir sind, weil sie etwas von mir wollen.“ und beziehen sich dabei auf den hinterhältigen Pinguin. Die beiden Jungen fanden den Film außerdem lehrreich, weil er zeige, dass „man nicht jedem vertrauen soll“.

Die Figuren-Gruppe erkannte sehr gut, dass Gromit sich „wie ein Mensch“ verhält, „obwohl er ein Hund ist“, aber nicht sprechen kann. Besonders unsympathisch war ihnen der Pinguin, weil er „einen Diamanten klauen“ wollte, „und als der Pinguin kommt, hatte Wallace den Gromit vernachlässigt“.

Der Gruppe, die sich den technischen Mitteln gewidmet hat, ist besonders der Einsatz der Musik aufgefallen, die in manchen Szenen „ängstigend“ wirkte. Die Trickeffekte, mit denen Regen und Sonnenuntergang gestaltet wurden, fanden sie hingegen „cool“.

Insgesamt bewerteten die Kinder den Film mit „ganz ok“, da er zwar teilweise „witzig ist und Gefühle zeigt“, aber auch „langweilig und kurz ist“.

„Wallace & Gromit – Unter Schafen“

Die Figuren-Gruppe aus dem Kinder- und Jugendtreff Mooskito fand besonders das kleine Schaf „Shaun“ sympathisch, weil es „klug, hilfsbereit und nett“ ist und sich im Laufe der Geschichte „zum Mutigen“ entwickelt.

Franziska aus Moosach (10 Jahre), die sich näher mit der Handlung befasst hat, stufte den Film als spannend ein, weil „man zuerst denkt: ,Oh nein, jetzt ist alles aus.‘ Aber dann geht es doch gut.“ Besonders lustig fand das Mädchen „die vielen Maschinen“, die „so lustige Funktionen haben“.

Insgesamt fanden die Kindern den Film „super“ und würden ihn weiterempfehlen, weil die „meisten Figuren … hilfsbereit“ waren und „man auch gemeinsam darüber lachen kann“.

Perspektiven

Da die Zeit für die Arbeit mit dem Redaktionssystem im Rahmen der On-Tour-Projekte nicht reichte, sollen alle Kinder, die im Rahmen der Kinderfilmredaktion On Tour ausgebildet wurden, perspektivisch auch von außen das Redaktionssystem nutzen und sich weiter an der Kinderfilmredaktion beteiligen können. Dies soll spätestens bis Herbst 2006 umgesetzt werden. Über eine einfache Eingabemaske können sie dann ihre Lieblingsfilme bewerten und Punkte vergeben. Die Punktvergabe erfolgt über „Jojos“, dem Hund aus dem Münchner Kinderportal pomki.de. 1 Jojo bedeutet „Oh nein“, 2 Jojos „muss nicht sein, 3 Jojos „ganz ok“ und 4 Jojos „super“. Das Redaktionssystem musste dazu überarbeitet werden und steht für die On-Tour-Redaktion zur Verfügung. Darüber hinaus können Kinder aus den On-Tour-Projekten auch zu den vierzehntägigen Redaktionssitzungen ins Medienzentrum kommen und dort vor Ort mit dem Redaktionssystem arbeiten. Einige Kinder haben dieses Angebot auch genutzt und sind nun Mitglied bei den Münchner Kinokindern.


Veranstalter

Medienzentrum München des JFF (MZM)
Ansprechpartner: Günther Anfang
Rupprechtstr. 29
80636 München
Telefon: 089 – 12 66 53 0
Fax: 089 – 12 66 53 24
Website: www.medienzentrum-muc.de
E-Mail: guenther.anfang@jff.de
Telefon: 089 – 12 66 53 13

Das Medienzentrum München steht allen MitarbeiterInnen der Kinder- und Jugendarbeit sowie Jugendmediengruppen in München zur Verfügung. Eingerichtet wurde es vom Stadtjugendamt München im Jahre 1982 und unterstützt seitdem Medienprojekte von Kindern und Jugendlichen. Ziel der Arbeit des Medienzentrums München ist es, Kinder und Jugendliche zum aktiven und kreativen Umgang mit den Medien anzuregen und die Entwicklung von Medienkompetenz zu fördern. Zur Unterstützung von Medienprojekten werden vor allem Angebote gemacht, die Modellcharakter besitzen und Impulse für die praktische Medienarbeit mit Kindern und Jugendlichen setzen. Schwerpunkte der Arbeit des Medienzentrums bilden dabei folgende Aktivitäten:

– Seminare und Workshops zum praktischen Einsatz der verschiedenen Medien in der Kinder- und Jugendarbeit
– Verleih von Geräten
– Betreuung bei der Produktion vor Ort
– Betreuung im Videoschnitt- und Tonstudio des MZM
– Veranstaltungen, wie „Flimmern & Rauschen“, „Inter@ktiv“ u.v.m.
– Durchführung von Medienprojekten
– Fotolabor, Kino u.v.m.
– Fortbildungsveranstaltungen zu medienpädagogischen Fragestellungen, Beratung, Informationsmaterial
– Betreuung der Jugendsendungen „maTz-TV“ und „Störfunk“
– Betreuung der Kinderfilmredaktion „Münchner Kinokinder“