Brücken bauen und Mauern einreißen - Demokratie leben, wie geht das?

Brücken bauen und Mauern einreißen – Demokratie leben, wie geht das?

Was wissen Kinder über Demokratie? Warum gehen Erwachsene wählen und wie läuft eine demokratische Wahl ab? Demokratie ist ein weiter Begriff und trotzdem für Kinder im Alltag immer wieder relevant. Die Klassen 3b und 4e der Bazeillesschule erklären mit medialen Beiträgen „Demokratie“. Ihre Ergebnisse sind auf einem Blog veröffentlicht.

Brücken bauen und Mauern einreißen – Demokratie leben, wie geht das?

Was wissen Kinder darüber, wenn ihre Eltern am 24. September zum Wählen gehen? Was verstehen sie unter Demokratie, Grundrechten, Werten und Normen, die unsere Gesellschaft ausmachen? Was hat zum Beispiel ihre Klassensprecherwahl damit zu tun? Mitbestimmen und Teilhabe – wo gibt es im Umfeld Schule Situationen, in denen Kinder ihre Interessen vertreten können und nicht Erwachsene alleine für sie sprechen? Wie laufen demokratische Entscheidungsprozesse ab und wie wird in einer Demokratie mit unterschiedlichen Meinungen und Konflikten umgegangen? Das Verstehen von Demokratie sollte über die eigene Lebenswelt erfahrbar werden. Kinder lernen so von Anfang an mit Hilfe der Medien, ein kritisches Bewusstsein zu entwickeln. Sie informieren sich über Medien zum Thema Demokratie und zugleich lernen sie im aktiven Umgang mit Medien ihre Erfahrungen in kreativen Beiträgen auszudrücken. So kann ihre Medienkompetenz bereits in der Grundschule gestärkt werden.

Die Herausforderungen an das Medienprojekt waren:

  • Den Rahmenbedingungen Schule gerecht zu werden und Medienarbeit neu einzubringen.
  • Kindern das komplexe Thema Demokratie verständlich zu machen.
  • Kreative Medienprodukte mit den Kindern zu einem komplexen Thema erstellen.
  • Einen interaktiven Austausch in Gang zu bringen.

In vielen Grundschulen findet Bildung mit Medien marginal statt, schließlich sollen in den ersten Jahren zunächst grundlegende Kulturtechniken, wie Lesen und Schreiben vermittelt werden. Mit Medien lehren und lernen, dafür gibt es wenig Konzepte, die speziell in der Grundschule umgesetzt werden. Vereinzelte Modellprojekte bieten Anhaltspunkte und können hier erste Impulse für die Arbeit mit digitalen Medien liefern. Doch gerade dazu sind die Grundschulen nun aufgefordert – jede Grundschule in München muss bis 2019 ein Medienkonzept entwerfen. Hier wollte ich mit dem Projekt „Demokratie“ ansetzen und modellhaft Möglichkeiten erarbeiten, die mit einem konkreten Lehrplanbezug und mit Medien erarbeitet werden können. Die enge Absprache und Zusammenarbeit mit der Lehrerin war für den Verlauf des Projekts sehr wichtig. So konnten die Inhalte im Unterricht vor- und nachbereitet werden und der Bezug zum Lehrplan wurde nicht aus den Augen verloren. Dadurch war es auch leichter das Projekt in den Schulalltag zu integrieren.

Erste Interviews, um den Umgang mit der Technik zu erproben

Die Kinder haben spielerisch gelernt, wie eine demokratische Wahl ablaufen kann. Sie gründeten eigene Tierparteien, entwarfen Programme, Plakate und produzierten kurze Trickfilme als Wahlspots. Am Ende wählten sie eine Partei und einen Kandidaten aus den 5 verschiedenen Angeboten aus. Neben den wichtigsten Begriffen und Prinzipien zum Thema Wahlen, lernten sie den Umgang mit dem IPAD kennen. Wie funktioniert eine Videoaufnahme mit Stativ und Mikrofon? Zur Einführung interviewten sie sich gegenseitig und probierten aus, wie ein Mikrofon gehalten werden muss, damit die Fragen und Antworten auch verständlich sind. Wie muss ich mich präsentieren? Welche Gestaltungsprinzipien helfen mir dabei? Diese ersten Aufnahmen dienten einerseits dazu, sich dem Thema zu nähern und andererseits, herauszufinden, wie viel die Kinder über Demokratie bereits wissen. Folgende Fragen stellten sie sich gegenseitig:

  • Was wurde am 24. September gewählt?
  • An welche Wahlplakate kannst du dich noch erinnern?
  • Welche Parteien kennst du?
  • Wie heißt unsere Bundeskanzlerin?
  • Welche Aufgaben hat eine Regierung?
  • Wer ist Ministerpräsident von Bayern?
  • Wer darf wählen gehen?

Schnell stellte sich heraus, dass nur wenige Kinder die Fragen beantworten konnten. Deshalb war es notwendig, sie erst einmal grundsätzlich über das Thema Demokratie zu informieren. So wurde im nächsten Schritt das Bilderbuch: „Ich bin für mich“ von Martin Baltscheit und Christine Schwarz besprochen.

Wahlkampf der Tiere – Trickfilme mit Tierparteien

Die Kinder erhielten über die Geschichte „Ich bin für mich“ Einblick in das Thema „Wahlen“. In der Geschichte wird der Wahlkampf der Tiere thematisiert und der Ablauf einer demokratischen Wahl satirisch erzählt. Kandidaten stellen sich auf und versprechen viele wünschenswerte Dinge. Da jeder für sich ist, entwickeln sich anarchische Zustände. Keiner denkt weitsichtig und an das Gemeinwohl. Die Schüler lernten hier wichtige Begriffe, wie Kandidat, Wahlplakat, Wahlspruch kennen. Inspiriert von dieser Geschichte entstand die Idee nun eigene Tierparteien zu gründen. Zuerst mit Wahlplakaten und dann mit Tierfiguren, die eine kleine Handlung erzählen. Es wurden Kulissen mit buntem Papier, Pflanzen und Tüchern entworfen. Mit den IPADs und der Trickfilm App IStopMotion nahmen sie die einzelnen Szenen auf. Damit lernten sie, wie man einen Trickfilm erstellen kann, in dem einzelne Bilder aneinander gefügt werden. Welche Abläufe müssen dabei beachtet werden? Wie wichtig ist hier Teamarbeit, damit zum Beispiel keine Hände bei den Aufnahmen zu sehen sind? Wie bewege ich Gegenstände, um eine fließende Bewegung zu erhalten? Und schließlich: Wie kann ich die einzelnen Aufnahmen aneinanderfügen, um eine Geschichte zu erzählen?

Der nächste Schritt war, die einzelnen Szenen dann in dem Videoschnittprogramm iMovie weiter zu bearbeiten und mit Musik und Sprache zu unterlegen. Hier erfuhren die Kinder, wie Musik und Sprache die Geschichte dramaturgisch verbessern. Auch wenn im Unterricht nicht genug Zeit vorhanden war und die Nachbearbeitung teilweise ohne die Kinder stattfand, waren sie mit den Ergebnissen sehr zufrieden. Einzelne Verbesserungsvorschläge von den Kindern wurden nach der Präsentation verändert.

Während der Trickfilmproduktion wurde mit den Kindern aber auch diskutiert, dass Urheberrechte bei Musiken und Persönlichkeitsrechte bei Bildern unbedingt beachtet werden müssen, wenn die Filme veröffentlicht werden. Sinn und Zweck dieser Rechte wurden verständlich gemacht. Im aktiven Umgang mit dem Medien fand ein informelles und selbständiges Lernen mit und über die Medien statt. Neben dem Umgang mit der Technik und dem Erstellen eigener medialer Beiträge wurde das Thema Demokratie auch anhand von Beispielfilmen aus dem Netz erklärt. Hier erfuhren die Schüler, welche Kinder-Websiten und Kinder-Suchmaschinen, wie Blinde Kuh oder Frag-Finn für ihre Recherchen geeignet sind.

Von den Tierparteien zur Klassensprecherwahl

Wie kann eine Klassensprecherwahl ablaufen, in der am Ende ein/zwei Kandidaten gewählt werden, der/die Interessen der Klasse vertreten. Nach dem Tierparteien-Wahlkampf fand die Klassensprecherwahl einige Wochen später statt. Nun konnten die Kinder besser einschätzen, wie man sich darstellen muss, wenn man für dieses Amt kandidieren möchte – was wollen sie vertreten, was können sie vertreten, welche Aufgaben haben die Kandidaten? Wie läuft die Wahl ab? Wen wähle ich und warum? Inhalte, die für jede demokratische Wahl notwendig sind. Nach der Wahl interviewten die Kinder sich wieder gegenseitig und erzählten ihre Erfahrungen vor der Kamera.

Streit und Konflikte lösen – Situationen aus der Lebenswelt der Kinder

Mit den Themen „wie Streit entsteht“ und „wie er in einer demokratischen Gesellschaft gelöst werden kann“, wurde versucht im dritten Projektabschnitt den Demokratiebegriff zu erweitern und typische Alltagssituationen, wie Demokratie gelebt werden kann, mit Hilfe von Medien umzusetzen. Hierfür Beispiele zu finden ist den Kindern sehr leicht gefallen, da sie Ereignisse und Erfahrungen direkt aus ihrer Lebenswelt schöpfen konnten. Es bot sich an, unterschiedliche Streitsituationen und Lösungsmöglichkeiten spielerisch als Trickfilme mit dem IPAD aufzunehmen und wieder kurze Videoclips zu produzieren. Dazu wählten die Kinder verschiedene Umsetzungsformen: Sie produzierten einen Legotrickfilm, malten verschiedene Szenen zum Thema Streitschlichter, erstellten Comiczeichnungen und einen Trickfilm mit Wortkarten. Vorbereitend wurde das Thema im Unterricht behandelt und Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Auf sogenannte Wortkarten wurde von einer Gruppe streitfördernde Sätze geschrieben und eine andere sammelte Wörter und Sätze, die Streit verhindern oder lösen, wie zum Beispiel: zuhören, verstehen, fragen, miteinander sprechen, Respekt, sich entschuldigen. Aus den streitfördernden Sätzen wurde eine Mauer gebaut, die zwei Kinder symbolisch zum Einsturz brachten. Mit den Lösungssätzen wiederum entstand eine Brücke.

Dieser Trickfilm steht nun als Einstieg für das gesamte Projekt und soll auf die Homepage der Schule gestellt werden. Der Blog befindet sich unter der Adresse www.demokratiekinder.schule. Die Idee ist diese Website weiter auszubauen und das Projekt als Einstieg für eine weitere Medienarbeit an der Schule zu nutzen.

Beteiligte an dem Projekt „Demokratie“

Beim diesem Projekt waren zwei Schulklassen der Grundschule an der Bazeillesstraße München beteiligt. Die 4. Klasse behandelte im Heimat- und Sachunterricht das Thema Gemeinde und Mitbestimmung, die 3. Klasse startete das Schuljahr mit dem Thema Wahlen. Da bei der 4. Klasse im Herbst parallel noch die Fahrradprüfung stattfand, bezog sich das Medienprojekt nur auf den Rathausbesuch und die Reflexion darüber. Mehr Zeit war auch aufgrund des Übertritts und den notwendigen wöchentlichen Proben nicht möglich. Bei der 3. Klasse hingegen stand ein größerer zeitlicher Rahmen über mehrere Monate zur Verfügung, aufgeteilt in verschiedene Lernschritte und Projektabschnitte.

Insgesamt war ich für das Projekt an 10 Vormittagen an der Schule neben den Konzeptbesprechungen, Vor- und Nachbereitungen der medialen Produkte. Die Geräte (5 IPADs, Stative und Mikrofone konnte ich von der Stadtbibliothek München ausleihen, die sich als Kooperationspartner an dem Projekt beteiligte. Als Apps wurden IStopMotion, IMovie, halftone für Comicaufnahmen und launchpad für Musikkompositionen verwendet. Der Blog wurde mit WordPress erstellt. Grundsätzlich ist das Programm WordPress kostenlos zu verwenden. Auch lassen sich über Vimeo die Videos einfach einbauen, doch um auf den Seiten Werbung zu verhindern, benötigt man eine kostenpflichtige Lizenz. Für das Projekt war mir eine werbefreie Website wichtig.

Mitbestimmung in einer Gemeinde – Die 4. Klasse erkundet das Rathaus

Die 4. Klasse hat das Rathaus besucht, eine öffentliche Sitzung erlebt und eine Stadträtin interviewt. Der Besuch fand zum Thema Mitbestimmung im Fach HSU statt. Inhaltlich bereiteten sich die Kinder im Unterricht darauf vor und kannten die Aufgaben der Stadträte und Bürgermeister schon vorher. Doch wie sieht die Realität aus? Wie läuft eine Sitzung der Stadträte ab, wenn sie stundenlang über verschiedenen Themen diskutieren und eine Entscheidung treffen müssen? Wo arbeitet der Bürgermeister und was kann man noch alles im Rathaus sehen. Beeindruckend war natürlich auch der Blick über München, vom Dach des Rathauses.

Mit IPAD und externem Mikrofon filmten und fotografierten sie ihre Eindrücke. Eine Woche später interviewten sie sich gegenseitig und konnten so den Besuch nochmal reflektieren und ihr Wissen vertiefen. Da ich bei der Klasse bereits vor einem Jahr ein Fotoprojekt durchgeführt hatte, kannten die Kinder wichtige Gestaltungsprinzipien im Umgang mit der Videokamera. Dazu waren einige Kinder dabei, die selbst schon Filmerfahrung in anderen Medienprojekten hatten. Gerne hätte ich hier das Thema noch vertieft, wenn Zeit dafür gewesen wäre. Hier bietet es sich an, mit den Kindern in den letzten Schulwochen den Blog anzuschauen und inhaltlich zu erweitern. Zum Beispiel Quizfragen einzubauen oder Texte und Beschreibungen zu ergänzen.

Schule und Medienarbeit kann gut funktionieren

Die enge Zusammenarbeit mit den Lehrerinnen war sehr notwendig und hat das Projekt inhaltlich vorangebracht. Wir konnten uns sehr gut ergänzen. Als Medienpädagogin kam ich von außen und musste den Schulbetrieb zuerst kennen lernen, mich aber an den Rahmenbedingungen orientieren und vor allem musste ich inhaltlich kleine Schritte gehen, denn das Thema Demokratie ist sehr umfassend und für Kinder nicht wirklich greifbar, wenn sie keinen direkten Bezug sehen. Hier war es notwendig das Thema kindgerecht aufzubereiten. Mit der vorhandenen Technik lässt sich gut ein Medienprojekt mit einer ganzen Klasse realisieren. Ich hatte mir für die einzelnen Einheiten immer sehr viel vorgenommen und stellte sehr schnell fest, wie notwendig es ist, in der Situation flexibel zu reagieren und die eigenen Vorstellungen jeweils anzupassen. Schließlich ist die Zeit an einem Vormittag durch Pausenzeiten und Stundenregelungen sehr knapp. Die ursprüngliche Idee, hier noch einen Bibliotheksbesuch mit der 3. Klasse zur Recherche einzubauen, war aus Zeitgründen nicht möglich. Mit der Konzentration auf die Umsetzung in der Schule und im Unterricht, konnten wir jedoch intensiver an den Filmen arbeiten. Gerne hätte ich die Blogerstellung gemeinsam mit den Kindern umgesetzt, doch das hätte den Projektrahmen noch mehr überschritten. Ich entschied mich schließlich, mehr mediale Inhalte mit den Kindern zu erstellen und die Feinarbeit im Schnitt alleine fertigzustellen. Hier können bei einer Wiederholung des Projekts die Kinder mehr eingebunden werden.

Weiterführung des Projekts

Letztlich ist das Projekt als Modellprojekt zu verstehen und kann im nächsten Schuljahr mit einer anderen Klasse wiederholt und der Blog mit weiteren Inhalten ergänzt werden. Außerdem bietet es sich dann an, den interaktiven Aspekt den Schülern nahe zu bringen, in dem sie die Blogbeiträge im Netz kommentieren. Wir haben aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen bewusst darauf verzichtet Fotos und Videos von den Kindern selbst zu veröffentlichen und das Thema mit Tierfiguren, Lego und Zeichnungen umgesetzt, um allen Kindern gerecht zu werden und so, dass jeder mitarbeiten konnte. Offen ist noch, ob die Interviews als Audiobeiträge in den Blog eingebunden werden. Nur für die mediale Umsetzung des Rathausbesuches und der Wahlbefragung entstanden Aufnahmen mit den Kindern. Mit Hilfe des Projekts wurde in jedem Fall ein Bewusstsein für einen kompetenten medialen Umgang geschaffen, mit Medien gelehrt und gelernt und somit digitale Bildung erfolgreich umgesetzt.

Blog: www.demokratiekinder.schule.

Beteiligte Schule
Grundschule Bazeillesstraße

Kooperationspartner
Münchner Stadtbibliothek

Gefördert im Rahmen des medienpädagogischen Förderprogramms von Stadtjugendamt München und Netzwerk Interaktiv, www.kooperationsprojekte-muc.de.